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Das Merit-Order Kartell oder – um es mit Goethe zu sagen: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los“

Die EXXA – Energy Exchange Austria, die österreichische Strombörse

Wer hat schon von der EXAA gehört? Dort wird unser wahnwitziger Strompreis festgesetzt. Im sogenannten Day-Ahead-Handel werden jeweils Stunden-Verbrauchsmengen gehandelt. Auf der Internetseite der EXAA (https://www.exaa.at/en/) kann man auch als Nicht-Handelspartner die Preise für die nächste Auktion einsehen, so wurden z.B. am 13. Februar 2023 rund 16 Cent je KWh angeboten. Spannend oder? Wenn wir das mit unseren Stromrechnungen vergleichen, wird einem schnell klar, warum wir unter diesen uns verrechneten Preisen leiden und die Manager und Aktionäre der Energiekonzerne jubeln.

Wer sind die Aktionäre der EXAA?
Verschachtelt über mehrere Ebenen sind das natürlich so gut wie alle österreichischen Energieunternehmen, die Wiener Börse und die österreichische Kontrollbank. Sowie auch Unternehmen, welche die Abwicklung sicherstellen. Also, die Börse selbst sowie der Handel mit Strom in Österreich ist in der Hand der Energieunternehmen, die mehrheitlich in der Hand des Bundes bzw. der Länder sind. Von wegen: „Leider leider können wir den Strom nicht an die tatsächlichen Gestehungskosten anpassen wie in der Schweiz.“ Aber dazu später.

Die MERIT-ORDER Regel zur Strompreisfindung

Aus dem Englischen übersetzt bedeutet MERIT ORDER Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit oder auch Reihenfolge der Verdienste. Wie diese seltsame Regel funktioniert, haben wir in unserem Rundbrief vom Mai 2022 ausführlich erklärt: https://muehlviertel110kv.at/erdkabel-rundbrief-mai-2022/
Einfach zusammengefasst: Das teuerste Produkt, das zur Stromerzeugung verwendet wird, bestimmt den Preis für alle eingesetzten Produkte. Das heißt, in Österreich wird zwar überwiegend Wasserkraft aus längst abgeschriebenen Flusskraftwerken für die Stromerzeugung eingesetzt, aber leider reichen diese Mengen nicht aus. Daher wird auch – in wesentlich geringerer Menge – Gas für die Verstromung eingesetzt. Durch die aktuell hohen Gaspreise wird der Strom aus Wasserkraft sprichwörtlich vergoldet. Darum ächzen wir Konsumenten unter den enormen Strompreisen. Sprichwörtlich fühlen wir uns dabei wie die oft zitierten „Weihnachtsgänse“.

Die Argumentation der Energieversorger kurz zusammengefasst: „Leider leider, der Strompreis wird über die Merit Order Regel bestimmt und an der Börse gehandelt.“ Die Energieversorger sind halt alle Aktiengesellschaften und den Aktionären verpflichtet. Daher können sie den Strom leider leider nicht billiger abgeben.

Eingeführt wurde diese Merit Order Regel, damit die Energieversorger überschüssige Erlöse generieren, um damit die erneuerbaren Energiemöglichkeiten voranzutreiben. Nur, das wurde bis vor der Gas-Krise mit angezogener Handbremse gemacht. Die enormen Gewinne in der Vergangenheit wurden an die Aktionäre ausgeschüttet. Wer waren und sind diese Aktionäre? Der Bund, die Länder und große institutionelle Anleger. Lediglich bei der VERBUND AG gibt es rund 15% Streubesitz. An diese ist – auch schon vor 2022 – der durch die Merit Order Regel überhöhte Gewinn aus dem Stromverkauf geflossen. In Oberösterreich hat das Land OÖ 2019 sogar eine zusätzliche Sonderdividende abgeschöpft. Könnte man auch als indirekte Zusatzsteuer über den Stromtarif sehen.

Keine Rechtsgrundlage für die Merit Order

Das Allerbeste ist die neueste Information zur Merit Order Regel. Denn dazu gibt es keine EU-Verordnung, kein Bundesgesetz, kein Landesgesetz. Man könnte es ganz einfach auch als von der Politik geduldete Kartellabsprache sehen.

Interessant die Aussage von Theo Thanner, Ex-Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB): Offensichtlich gibt es keine Rechtsgrundlage für Merit Order. Ich habe mir die europäischen Rechtsgrundlagen im Energiesektor angesehen. Da gibt es nicht einmal den Begriff ‚Merit Order‘. Und auch national ist hier nichts zu finden. Das bedeutet, dass es hier offensichtlich um Vereinbarungen zwischen Unternehmen geht. Und das kann wettbewerblich von Relevanz sein.“
Zum Beitrag: Energiepreise: Wettbewerbsprüfung gefordert/Salzburg.ORF.at

Es fragt sich nur, warum da nichts geschieht. Eigentlich müsste die Bundeswettbewerbsbehörde da von sich aus tätig werden. Die österreichische Politik schöpft lieber die Zusatzgewinne ab, um einen Teil davon dann als Almosen an Alle zu verteilen. Also keine Gefahr für die Energieunternehmen.

Auf EU Ebene betreiben die österreichischen Energieunternehmen eine eigene Lobby-Organisation: https://oesterreichsenergie.at/wir/buero-bruessel

Auf dieser Seite heißt es Eingangs: Branchenvertretung in Brüssel – Oesterreichs Energie garantiert mit einem starken Team und einer effizienten Branchenvertretung in Brüssel, dass die Stimme der österreichischen E-Wirtschaft auch auf EU-Ebene gehört wird und Entscheidungen im Sinne der Branche getroffen werden.
Da soll dann wohl nichts passieren, nicht dass das EU-Parlament die einträglichen Geschäfte in Österreich womöglich stört!

Und die Schweiz? In der Schweiz muss genau der Energiemix bezahlt werden, der verkauft wird. Das heißt, die Energieanbieter dürfen den Preis für Öl und Gas erhöhen, nicht aber den Preis für Wind-, Wasser- und Solarenergie an den Gaspreis anpassen. Die Inflationsrate der Schweiz betrug 2022 für das Gesamtjahr nur 2,8%, in Österreich dagegen 8,6%. Natürlich ist diese exorbitante Teuerungsrate nicht nur der Energie geschuldet, aber in jedem Produkt das wir kaufen steckt eben auch ein hoher Anteil an Energie.

Wer wird uns von dieser unsäglichen Merit Order befreien?

Die Politik könnte vieles an diesem System ändern, ist doch der Staat bzw. sind doch die Länder immer die Mehrheitseigentümer.

Goethes Ballade vom Zauberlehrling klingt irgendwie passend zu unserer Situation. Vielen von uns ist der gesamte Text wahrscheinlich nicht mehr so geläufig. Einfach zum Nachlesen auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberlehrling

Passend auch für unsere Situation des Strommarktes wird am Ende der Ballade deren Aufbau erläutert:

  • Überheblichkeit und Wichtigtuerei
  • Umsetzung des Vorhabens
  • Machtrausch
  • Angst und Verzweiflung
  • Hilfloses Schimpfen
  • Verzweiflungstat und Verschlimmerung
  • Hilferuf
  • Rettung durch den Zaubermeister

Nur, wer wird bei uns der Zaubermeister sein, der die Merit Order Regel bändigt? Und vor allem, wann? Die Zeit drängt!

Rudolf Niederwimmer, IG Landschaftsschutz Mühlviertel

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