Weil die Landschaft des Mühlviertels zunehmend der Verschandelung preisgegeben wird. Wenn man mit kritischem Blick die Entwicklung des Mühlviertels in den letzten Jahrzehnten verfolgt, dann findet sich leider nicht nur Positives, sondern auch viel Negatives.
Hauptverantwortlich dafür ist eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Frage, was aus dem Mühlviertel eigentlich werden soll. Die mangelhafte Beantwortung dieser wichtigen Frage führte zu einer kaum vorhandenen bzw. überhaupt fehlenden überregionalen Raumplanung, sodass sich Oberösterreich und natürlich zunehmend auch das Mühlviertel zu einem Fleckerlteppich unterschiedlichster, sich zum Teil widersprechender Interessensgebiete entwickelt.
- Das Mühlviertel soll „Bioregion“ werden,
- das Mühlviertel soll Unternehmen anlocken,
- das Mühlviertel soll dezentrale „Arbeitsplätze“ anbieten,
- das Mühlviertel soll touristisch ausgebaut werden und zu guter Letzt
- soll das Mühlviertel das gute alte Mühlviertel bleiben.
Alles ein wenig viel, würde ich sagen und man merkt, dass diese vielen Ansprüche nicht unter einen Hut zu bringen sind. Da stehen dann Fleischfabrik und Tourismushotel in Sichtweite, Windräder thronen als Zeichen des Umweltbewusstseins am Böhmerwaldhauptkamm und die Grundstücke entlang der Hauptverkehrsverbindungen werden zunehmend zu begehrten Gewerbegebieten. Es sind „schöne Aussichten“, wenn man in das Mühlviertel fährt.
„Wettbewerb zwischen den Gemeinden“
Diese unkoordinierte Entwicklung führt ua. dazu, dass der Schwerverkehr und der Verkehr insgesamt im ländlichen Bereich ständig zunehmen und die Hauptverkehrsverbindungen nach Linz immer langsamer werden. Die Gemeinden werden mit ihren Sorgen aber mehr oder weniger allein gelassen. Abgangsgemeinden, die aufgrund fehlender Steuereinnahmen auf Solidarität der ertragsstarken Gemeinden angewiesen sind, haben es besonders schwer, weil das Land OÖ diesen „armen“ Gemeinden einen brutalen Sparkurs aufzwängt. Nur Unternehmen bringen den Kommunen Geld und Spielräume für Investitionen, wodurch ein Wettbewerb zwischen den Gemeinden entsteht und die finanzschwachen Gemeinden nahezu genötigt werden, fahrlässig mit ihren Ressourcen umzugehen. Wiederholt werden die schönsten Flächen für Unternehmensansiedlungen verschleudert oder für sogenannte „Einfamilienweiden“ umgewidmet, wodurch erst recht wieder andere Probleme, wie z.B. eine Überlastung der Strom- und Wasserversorgung, ausgelöst werden.
Die Entwicklung unserer Region
Das fehlende langfristige Denken bzw. die fehlende Klarheit über die Zukunft einer ganzen Region führt kurzfristig und zwangsläufig von einer Notwendigkeit zu nächsten. Ehrenvolle und an sich gut gemeinte Projekte überfordern so die regionalen Strukturen und ständige Nachbesserungen sind die Folge.
Mich erinnert die Entwicklung in unserer Region an die Entwicklung in vielen Alpentälern, die sich gnadenlos dem Tourismus verschrieben haben. Es mag sein, dass es dort aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht keine anderen Alternativen gab. Trotzdem besteht der Eindruck, dass man im Vergleich zu anderen Ländern, z.B. der Schweiz, Südtirol oder auch Bayern, in Österreich mit den natürlichen Ressourcen wesentlich großzügiger umging und immer noch umgeht. Ich habe den Eindruck, dass wir auch im Mühlviertel mit Vehemenz an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. In Anlehnung an einen Werbeslogan würde ich somit sagen: „Nicht alles, was der Wirtschaft gut tut, tut auch dem Menschen gut.“ Wenn nun die Energie AG mit dem Slogan – „Wir denken an morgen“ – wirbt, dann sollte unbedingt auch jemand an übermorgen denken!
Im Vergleich zu anderen Regionen (z.B. dem Bregenzerwald) wo traditionelles Handwerk und Bauen mit modernen Ansprüchen kombiniert wird, haben wir das Bewusstsein für unsere Region, die Sensibilität für unseren Stil und unsere Materialien scheinbar schon vergessen. Ich bin kein Experte, aber wenn man sich diverse Neubausiedlungen der letzten Jahre ansieht, dann glaube ich, dass es großes Entwicklungspotential gäbe. In Südtirol gibt es bei größeren Baumaßnahmen z.B. die Einrichtung eines „Landschaftsbeirates“. Das Beispiel zeigt, dass andere Regionen schon erkannt haben, wie wichtig eine intensive Auseinandersetzung mit unserem Lebensraum unter Einbeziehung gewisser traditionelle Aspekte ist. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, aber wenn man Altes und Neues vergleicht, beschleicht einen doch ein Gefühl der Wehmut, weil spürbar ist, dass wir das Gefühl für Bescheidenheit und das Gefühl für die richtigen Dimensionen schon ein Stück weit verloren haben.
Was hat das alles mit der Stromleitung im Mühlviertel zu tun?
Aus meiner Sicht darf man die Diskussion über die Stromleitung nicht isoliert betrachten, sondern muss dabei die Entwicklung unserer Region in eine umfangreiche Betrachtungsweise einbeziehen. Wenn uns unsere Region wirklich etwas wert ist, dann sollten wir andere Wege einschlagen und andere Diskussionen führen. Das ist eine große Aufgabe, denn es setzt eine Schärfung unseres Bewusstseins voraus. Die Realisierung einer 110 kV-Freileitung wäre für mich der nächste Schritt der nachhaltigen, aber schrittweisen und konsequenten Verunstaltung unseres Landschaftsbildes. Für die Manager scheint es ein unausweichlicher, sachlich und ökonomisch ausreichend begründeter und somit logischer Schritt. Jeder weitere Schritt wird dann aber noch leichter sein, ob dies z.B. ein Ausbau der bereits stark überlasteten Bundesstraße 38 oder irgendein anderes „Zukunftsprojekt“ sein sollte. Es wurde z.B. schon laut auf lokaler Ebene darüber nachgedacht, die schöne weite Ebene zwischen Piberschlag und Vorderweißenbach in ein interkommunales Betriebsbaugebiet zu verwandeln. Ist das wirklich unsere Vision? Wollen wir es wirklich soweit kommen lassen? Bleibt uns wirklich nur der Böhmerwald als Fluchtort übrig?
Wir sollten uns somit mit den unmittelbar Betroffenen solidarisch zeigen:
Wenn deren Grundstücke entwertet werden, dann stellt das eine Entwertung für die gesamte Region dar.
Es geht nicht nur sie an, es geht uns alle an!
Wir sollten es der Energie AG nicht so leicht machen – es ist keinesfalls akzeptabel, wenn Erdkabellösungen einfach allgemein als technisch unmöglich oder vollkommen unfinanzierbar abgetan und keine konkreten Erdkabeltrassen unter Einbeziehung unabhängiger Fachleute geplant und geprüft werden.
Wir sollten es auch dem Land OÖ nicht so einfach machen, dass dieses jeglichen Gestaltungswillen an ein Unternehmen delegieren und sich so aus der politischen Verantwortung nehmen kann. Was sollen übrigens die Bürger/innen darüber denken, dass der Strom-Masterplan und der Entscheidungsprozess über neue Stromleitungen von einem Politiker verantwortet wurde, der im Anschluss an seine politische Funktion zum Vorstandsmitglied des größten Stromanbieters Österreichs berufen wurde?
Die OÖ Politik würde gut daran tun, darauf zu achten, dass das Vertrauen der Mühlviertler/innen in einen transparenten, erwachsenen und ernsthaften (und wirklichen!) Dialog erhalten bleibt. Im Bereich der Verkehrspolitik wird die Geduld der Mühlviertler/innen ohnehin schon seit Jahren überstrapaziert.
Schöne Grüße aus Ahorn,
Gottfried Mitterlehner
Unterstütze uns mit deiner Unterschrift oder sammle gemeinsam mit uns Unterschriften.
Überzeuge dein Gegenüber von einer innovativen Erdkabellösung – denn jede Stimme zählt!
Jetzt Online – Petition unterschreiben!
UND