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Rückblick UVP-Verhandlung, 1. Woche

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Eindrücke von Mag. Katharina Kaar von den ersten Tagen der UVP Verhandlung

Am 13. Jänner 2025 begann in Freistadt die lange erwartete und für mehrere Tage anberaumte UVP-Verhandlung zur geplanten Starkstromleitung im Mühlviertel.
Wer zum ersten Mal bei einem solchen Verfahren dabei ist, lernt viel Neues. Verhandelt werden etwa die Unterlagen, welche die sogenannten „Projektwerberinnen“ Netz OÖ und Linz Netz bei der zuständigen UVP-Behörde des Landes OÖ eingereicht haben. Darin geht es u.a. darum, welche Auswirkungen die geplante 110-Kv-Freileitung auf Mensch, Natur und Landschaft haben wird.
Die Behörde hat nun die Aufgabe zu prüfen, ob das Projekt in dieser Form für umweltverträglich erklärt und damit umgesetzt werden kann.
Wer in dieser öffentlichen Verhandlung zu einem bestimmten Fachbereich sprechen wollte, musste sich bereits am ersten Tag in der Früh in eine Redner/innen-Liste eintragen. Das wollte gut überlegt sein, denn es war der einzige Zeitpunkt, zu dem das möglich war.
Auch Besucher/innen hatten sich täglich in eine Anwesenheitsliste einzutragen, nachdem ein Sicherheitscheck wie am Flughafen durchgeführt worden war. Am ersten Verhandlungstag waren überhaupt zwei Polizisten anwesend, wahrscheinlich aus Furcht vor notorischen Wutbürger/innen.

Im Verhandlungssaal saßen auf einem Podium die Damen und Herren der UVP-Behörde mit Verfahrensleiter Mag. Raffael Huprich.
Davor auf der einen Seite ca. 40 Personen im Auftrag von Netz OÖ und Linz Netz (inkl. derjenigen, die die Projektunterlagen verfasst hatten) – alle mit Computern ausgestattet. Ihnen gegenüber bis zu 20 Gutachter/innen (hauptsächlich sogenannte „Amtssachverständige“ des Landes Oö), welche die vorgegebenen Fachbereiche bewertet haben.
Dahinter befand sich dann das „Publikum“ (© Huprich), die sogenannten „Einschreiter“ oder „Parteien“. Also die Vertreter der Interessengemeinschaft Landschaftsschutz Mühlviertel und Bürgerlisten, Betroffene und sonstige interessierte Zuhörer/innen. Erstere wurden von den Anwälten Dr. Wolfgang List, Dr. Pyka und Dr. Proksch hervorragend vertreten.

Wie sich schnell herausstellte, versuchte es die Netzbetreiberseite, vertreten von Anwalt Dr. Nussbaumer (Kanzlei Saxinger, Linz), anscheinend mit „psychologischer Kriegsführung“ und einer Zermürbungstaktik. So war zum Beispiel die Projektwerberseite großzügig mit Tischmikrofonen ausgestattet, die Anwälte der Einschreiter mussten sich diese erst mühsam „erkämpfen“. Ähnlich verhielt es sich mit dem anwaltlichen Rederecht.

Um nicht „mit endlosen Vorbringen auszuufern“, wie die Netzbetreiber gerne den Projektgegnern vorwarfen, soll hier ein Best-of gegeben werden.
Wer alle haarsträubenden Details nachlesen möchte, sei auf die Verhandlungsschrift verwiesen, die dem Vernehmen nach Ende der Verhandlung im Internet abrufbar sein wird.

Einige Highlights und Erkenntnisse der Woche:

Netz OÖ und Linz Netz „eierten“ möglichst lange herum und drückten sich um klare Auskünfte, damit auch ja niemand erfährt, z.B. wie viel die geplante Freileitung wirklich kostet. Es könnte womöglich sonst der Eindruck entstehen, die Erdkabelvariante wäre billiger.
Die Taktik schien zu lauten: Gib den Projektgegnern immer gleiche, allgemeine Auskünfte, verpackt in jeweils andere Worte. Wiederhole dich, verweise auf die Unterlagen und auf die immer gleichen Paragrafen. Beschuldige die Parteien unentwegt, die Verhandlung unnötig zu verzögern, weil sie die Frechheit haben, Einwände und Nachfragen einbringen zu wollen, während du selber dir alle Zeit der Welt nimmst, dich zu äußern. „Nerve“ die Projektgegner so lange, bis sie von selber aufgeben.

Über die geplante Betriebsdauer der Leitung hieß es z.B. „auf Dauer“. Gegenfrage: Wie lange das denn sei, wie viele Jahre ca.?“ „Auf Dauer“ – „So lange, bis die Erde in die Sonne fällt.“

Das Verfahren sollte wohl geschmeidig und rasch abgewickelt werden, denn die Netzbetreiberinnen erwarteten sich offensichtlich, dass dies lediglich „abgenickt“ wird von allen Beteiligten. Dieses Verhalten ließ sich beobachten.
Die Sachverständigen – hauptsächlich Gutachter der OÖ Landesregierung – schienen auch, mit den Planungen nahezu einhellig einverstanden zu sein.

Dr. Wolfgang List bot teilweise kabarettreife Unterhaltung mit seinen sarkastischen Kommentaren. Leider versteht diese Art Humor nicht jede/r. Zur seelischen Unterstützung (?) hatte er seinen Hund dabei, der die ganze Woche brav und wohlerzogen unterm Tisch lag und geduldig jeden beanstandeten Verfahrensfehler, jeden Einwand und jede Rüge mitverfolgte – derer es etliche gab.
Methodische Unsauberkeiten in den Projektunterlagen wurden detailliert aufgezeigt (z. B. die Verwendung von Daten aus Deutschland, die auf Österreich nicht gleichermaßen zutreffen, veraltete Daten oder Daten aus fraglichen Quelle usw.).

Mühsam bemühte man sich von Projektgegner-Seite darum, wesentliche Zahlen, Daten und Fakten in Erfahrung zu bringen, die sich aus den Projektunterlagen nicht erschlossen hatten.
Nach dem ersten Tag wusste man jedoch weder, wie viel die Freileitung wirklich kostet, wie lange Instandhaltungskosten anfallen werden oder ob das Projekt in diesem Umfang tatsächlich nötig ist.

Wenn so grundsätzliche Zahlen und Daten fehlen, wozu weiter verhandeln?
Nicht besser machte es die Tatsache, dass die Landesräte Achleitner und Kaineder in Aufsichtsräten von Unternehmen sitzen, die davon profitieren (Energie AG, oö. Landesholding).
Dass jene Behörde, die das Projekt allenfalls bewilligt, ausgerechnet beim Land OÖ angesiedelt ist, hinterlässt einen schalen Geschmack.

Interessierte konnten erfahren, dass die „Wunschtrasse“ der Projektwerberinnen als Freileitung vermutlich schon seit der ersten Regionskonferenz (vor ca. 7 Jahren) feststand. „Inszeniert“ lediglich der öffentliche Trassenfindungsprozess und der Variantenvergleich Erdkabel- Freileitung.

Ein weiteres Beispiel für die oben erwähnten Unzulänglichkeiten: Das Projekt sieht vor, während der Bauphase aus Totholz und Schnittgut Versteckplätze für Amphibien und Reptilien anzulegen. Nur, Grasschnitt darf wegen des Stickstoffeintrags nicht im Wald gelagert werden. Hat der Amtssachverständige dieses Verbot übersehen?

Dr. Zwicker machte die Widersprüche in der Bewertung der Auswirkungen auf die Landschaft deutlich. Einerseits werde eine „hohe“ und auch „sehr hohe Sensibilität“ festgestellt und trotzdem ergab die Bewertung der Intensität keine oder nur geringe Erheblichkeit.
Zwicker meint, die Landschaft werde entweder beeinträchtigt oder nicht: „Es gibt keinen Mittelwert bei einer Landschaft!“

Für kurze „Heiterkeit“ sorgte die Forderung der Umweltanwaltschaft nach einem Monitoring über tote Vögel im Bereich der Großen Mühl.
Darauf hin wurde eingebracht, dass man sich dort die Suche nach Vogel-Kadavern ersparen könne, weil sie nur in dem Moment wahrnehmbar sind, in dem sie mit der Leitung zusammen stoßen und ins Wasser fallen.

Die Zuhörenden erfuhren auch, dass es im Land OÖ reicht, besonders hässliche Bauten der Infrastruktur – wie z. B. Hochspannungsleitungen – im Wald vor unnötigen Blicken zu verstecken, damit sie nicht als „erheblicher Eingriff“ im Landschaftsbild gelten.
Was kommt als nächstes, bauen wir dann auch AKW’s in den Wald, damit sie keiner sieht?
Nach dieser Logik ist es leider auch kein Scherz, dass das geplante Umspannwerk Langbruck eine Hecke bekommen soll, damit es „hübscher“ aussieht.
Ein begrüntes Dach zusätzlich war dann allerdings schon wieder zu viel verlangt von Netz OÖ und Linz Netz. Am Gelände des Umspannwerks werde ohnehin eine naturnahe „artenreiche Fettwiese“ angelegt, damit kommt man den Bürgern eh schon maximal entgegen.
Überhaupt wäre es einmalig in der Geschichte der beiden Unternehmen, dass sie gemeinsam ein Umspannwerk planen, statt je ein eigenes, war in dieser Woche zu hören.

Unsere Sachverständigen haben offenbar sorgfältiger gearbeitet, als alle anderen Gutachter/innen. So überraschte etwa Dr. Schmalzer mit einer viel längeren Liste an nachgewiesenen seltenen Vogelarten im Projektgebiet als die Projektwerberinnen gezählt haben.
Manche Arten wurden nicht jedes Jahr gefunden oder umfassten nur wenige Exemplare. Das hinderte den Amtssachverständigen des Landes OÖ allerdings nicht an der Aussage, dass es „zu wenige Individuen“ gäbe – die auch nicht immer vorkämen -, um geschützt werden zu müssen.
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass eh schon seltene Tiere nicht geschützt zu werden brauchen, wenn zu wenige von ihnen vorhanden sind?
Das wirft die Frage auf: Gibt es eine Mindestanzahl von Exemplaren, die erreicht werden muss, um unter Naturschutz gestellt zu werden? Z.B. zwei Rotmilane nicht, aber fünf schon …?
Leider konnte das nicht mehr abschließend geklärt werden, da der zuständige Amtssachverständige am Freitagnachmittag um 16 Uhr von dannen eilte.
Damit war der Themenbereich „Natur- und Landschaftsschutz“ vorerst beendet und soll voraussichtlich im Februar weiter behandelt werden, obwohl die von uns beigezogenen Sachverständigen noch etwas dazu zu sagen gehabt hätten.

Weitere Amtssachverständige hinterließen ebenfalls einen seltsamen Eindruck.
Manche gaben an sie gestellte Fragen der Betroffenenvertreter umgehend an die Netzbetreiberinnen weiter. Kam dann doch noch eine Antwort des Befragten, wurde die Aussage der Projektwerber als nachvollziehbar bestätigt und/oder auf’s eigene Gutachten verwiesen.
Danke für nichts, wir waren genauso schlau wie vorher.

Der veterinärmedizinische Sachverständige äußerte sich zu den Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern (EMF) und schloss aus, dass sie in dieser geringen Dosis (durch 110kV-Leitungen) negative Auswirkungen auf Tiere hätten.
Tierärztin Judith Pammer hielt dagegen, dass erwiesenermaßen Bienen ungern Pflanzen unter Stromleitungen anfliegen, sodass diese mangelhaft oder gar nicht bestäubt werden. Nach bisherigem Wissensstand kann bei Rindern mit entsprechender Einwirkung von EMF die Fruchtbarkeit beeinträchtigt werden.
Wozu gibt es dann Sicherheitsabstände, wenn sich die Strahlung angeblich nicht auswirkt?
Am nächsten Tag konnte mit viel Nachbohren vom Amtssachverständigen erfragt werden, dass er als Datengrundlage seiner Einschätzungen ein Review von 1985 herangezogen hat.
40 Jahre lang keine Fortschritte mehr am Gebiet der Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern? Das ist schwer zu glauben.

Bei Geologie und Hydrogeologie lief’s später besser und es waren direkt nützliche Infos zu bekommen, was positiv auffiel.

Skurril am Schluss dieser Woche der Anwalt von Netz OÖ/Linz Netz, der sich beim Verfahrensleiter darüber beschwerte, dass dieser den Parteien mit den erforderlichen weiteren Verhandlungsterminen mehr entgegenkommen würde als der Projektwerberseite.
Nur um sich danach 20 Minuten lang darüber zu beklagen, dass die Freileitungsgegner die Verhandlung in die Länge zögen.

Mit der Erfahrung langer Nachtschichten (dreimal in Folge bis 23.00 Uhr) gab es im Laufe der Woche viele helfende Hände auf unserer Seite, die Kaffee herzauberten, Jause, Süßigkeiten und Nervennahrung austeilten für die Unverdrossenen, die noch stundenlang dort sitzen würden.
Ihnen sei allen herzlich gedankt!

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