Sehr geehrte Damen und Herren,
geschätzte Dorfgemeinschaft von Dietrichschlag!
Herr Landesrat Markus Achleitner – als für Energiefragen zuständiges Regierungsmitglied – hat mich als Koordinator beauftragt, zum offenen Brief an Herrn Landeshauptmann Mag. Stelzer Stellung zu nehmen. Mit Herrn Landesrat Achleitner erfolgt in dieser Angelegenheit eine enge Abstimmung.
Das Projekt „Stromversorgung Mühlviertel“ mit der 110-kV-Verbindung von Rainbach nach Rohrbach ist für die Region von großer Bedeutung und wird in der Region nicht in Frage gestellt.
Das Teilstück 8a von Freistadt nach Rainbach wurde bereits realisiert.
Bei den Abschnitten 8b und 8c kommt der „Leitfaden für Planungsprozesse zur Trassenfestlegung bei neuen Hochspannungsleitungen“ erstmals zur Anwendung. Die Transparenz des Prozesses und der intensive Dialog der Region mit den Projektverantwortlichen sind ein Zeichen für den neuen Weg der Projektbearbeitung.
Bei 4 Regionskonferenzen wurde mit den Vertretern der Gemeinde jeweils der aktuelle Stand des Projektes erörtert. Die von der Region bei der 3. Regionskonferenz von den Projektverantwort-lichen eingeforderte Flexibilität hat sich sehr positiv auf den weiteren Prozessablauf ausgewirkt. Sämtliche öffentlich gezeigten Projektunterlagen und Präsentationen werden jeweils am Tag nach der Regionskonferenz auf der Landeshomepage unter https://www.land-oberoesterreich.gv.at/187716.htm veröffentlicht. Die eingegangenen Stellungnahmen, Resolutionen, Vorschläge und auch Beschwerden der Betroffenen werden unverzüglich an die zuständigen Fachleute weitergeleitet.
Das gemeinsame Treffen im Feuerwehrzeughaus in Dietrichschlag am 2. Mai 2018 war die erste Informationsveranstaltung in der Region und zugleich beispielgebend für zahlreiche weitere „Bürgerversammlungen“ in den Gemeinden. Die Wohnsiedlung Dietrichschlag ist wegen der besonderen Lage aber auch wegen der besonders engen Dorfgemeinschaft bekannt.
Dies wird auch von den Projektkoordinatoren Walter Wöss und Johann Ecker bestätigt.
Die Gespräche im Feuerwehrzeughaus waren sehr sachlich und engagiert. Sowohl die Luftbildaufnahmen als auch die persönlichen Schilderungen zeigen die außergewöhnliche örtliche Situation von Dietrichschlag und deren Bewohnern.
Der Korridorvorschlag bei Dietrichschlag ist durch die Einhaltung der geforderten Abstände zu bewohnten Gebäude und die technischen Anforderungen an eine Leitungsführung geprägt.
Sowohl eine Freileitung als auch ein Erdkabel sind auf der 110-kV-Ebene Stand der Technik. Beide Systeme werden mit ihren Vor- und Nachteilen in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt. Die technischen und auch die wirtschaftlichen Parameter wurden mehrfach dargestellt und liegen auf. Es ist bekannt, dass sich viele der direkt und indirekt betroffenen Anrainer gegen eine Leitungsführung in Form einer Freileitung aussprechen. Die objektiven und subjektiven erlebten Anliegen und Sorgen der Bewohner entlang der vorliegenden Leitungskorridore werden ernst genommen. Erfahrungen in der Vergangenheit haben in konkreten Fällen (zB Erdgasleitung von Bad Leonfelden nach Linz) gezeigt, dass auch bei Leitungen unter der Erde eine Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer und Anrainer nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann.
An dieser Stelle wird festgehalten, dass noch keine endgültige Trassenführung festgelegt ist.
Bei der 4. Regionskonferenz am 28. November 2018 wurde in Abstimmung mit der Region zusätzlich zu den vorliegenden Freileitungs-Korridoren auch eine mögliche Trasse für ein Erdkabel vorgestellt. Weiters wurden ein technischer Bericht über die Netzverträglichkeit von Freileitungen und Erdkabel sowie ein Investitions- und Kostenvergleich von Freileitungen und Erdkabel im ländlichen Raum präsentiert. In sehr vielen technischen Aussagen kann eine weitgehende Übereinstimmung mit den Darstellungen vom Informationsabend am 23. November 2018 festgestellt werden (Prof. Brakelmann und Prof. Fickert). Die vorliegenden umfangreichen Fakten werden bei der weiteren Bearbeitung des Projektes berücksichtigt.
Der „Trassenfindungsleitfaden“ hat sich im bisherigen Prozessablauf in vielen Teile gut bewährt. In einigen Abschnitten wird eine Überarbeitung erforderlich sein. Im Lauf des letzten Jahres hat sich – und das ist sehr erfreulich – der Dialog in und mit der Region wesentlich geöffnet und ist konstruktiver geworden.
Eine Öffnung der Diskussion über die Systeme (Freileitung – Erdkabel) und die Bewertung einzelner Leitungstrassen bedingt aber auch ein beiderseitiges Denken in Alternativen.
Es erfordert auch die Bereitschaft für ein Annehmen von sachlich begründeten Ergebnissen. Entscheidungen über Infrastruktureinrichtungen – so wie 110-kV-Stromleitungen – können in jeder Systemausführung und bei jeder Trassenwahl zu einer individuellen Beeinträchtigung führen, das Gemeinwohl steht dann im Vordergrund.
In Ihrem Schreiben führen sie einen Hinweis auf die Regelung in Kärnten an.
Dort sind die Abstandsgrenzen zu bewohnten Gebäude wesentlich geringer für die Realisierung von Freileitungen als dies in Oberösterreich praktiziert wird. Das Kärntner Elektrizitätsgesetz spricht hier nur von einem „anzustreben“:
§7b Abstimmung im Rahmen der Raumplanung
(1) Im Rahmen der Abstimmung mit den Erfordernissen der Raumplanung ist zur Verhinderung von Nutzungskonflikten im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 5 Kärntner Raumordnungsgesetz im Rahmen der Bewilligung gemäß § 3 zu prüfen, ob zur Errichtung kommende Leitungsanlagen oder deren Änderungen ganz oder teilweise als Erdkabel ausgeführt werden können.
(2) Die Errichtung von elektrischen Leitungsanlagen ist vor allem in Teilbereichen als Erdkabel anzustreben, die in sensiblen Bereichen liegen. Als solche gelten geschlossene Siedlungsbereiche, sowie Bereiche, in denen der von der Achse zur Leitungsanlage gemessene Abstand zu den der Wohnnutzung dienenden Gebäuden sowie zu Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Krankenhäuser, Altersheimen udgl, bei Leitungsanlagen mit einer Netzspannung
über 36 kV bis einschließlich 110 kV: 20 m
über 110 kV bis einschließlich 220 kV: 30 m
über 220 kV: 70 m
unterschreiten würde.
In Bayern werden hauptsächlich Erdkabel auf der 110-kV-Ebene verlegt. Dies ist neben der gesetzlichen Regelung auch durch ein komplett anderes Netzsystem möglich bzw. begründet.
Die Mehrkosten für ein Erdkabel auf der Ebene 110-kV werden oft angesprochen. Diese sind lt. den Erfahrungen um einen Faktor zwischen 2,5 und 3 für Erdkabel höher als bei Freileitungen. Diese Relation wurde von Prof. Fickert bereits im Jahr 2010 aufgezeigt und im Jahr 2016 wieder bestätigt. Die Darstellungen der Vertreter von Ernst & Young bei der 4. Regions-konferenz am 28. November 2018 haben diesen Mehrkostenfaktor bestätigt.
In Deutschland wird von einem Mehrkostenfaktor von 2,75 ausgegangen und dieser ist auch im entsprechendem Gesetzt verankert.
Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)
§ 43h Ausbau des Hochspannungsnetzes
Hochspannungsleitungen auf neuen Trassen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder weniger sind als Erdkabel auszuführen, soweit die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb des Erdkabels die Gesamtkosten der technisch vergleichbaren Freileitung den Faktor 2,75 nicht überschreiten und naturschutzfachliche Belange nicht entgegenstehen; die für die Zulassung des Vorhabens zuständige Behörde kann auf Antrag des Vorhabenträgers die Errichtung als Freileitung zulassen, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen.
Zusammenfassung:
Danke für Ihr Schreiben mit umfangreichen Anregungen und Darstellungen.
Das Wohl der Bürgerinnen und Bürger sowie die Weiterentwicklung des Landes haben eine hohe Priorität.
Der Trassenfindungsleitfaden hat zu einem offenen, sachlich fundierten Dialog geführt.
Die Entscheidung über den Verlauf einer Freileitungstrasse ist noch nicht abgeschlossen.
Die Prüfung der Leitungssysteme (Freileitung – Erdkabel) erfolgt intensiv.
Jede Entscheidung kann zu einer individuellen Beeinträchtigung führen – hier steht dann das Gemeinwohl im Vordergrund.
Walter Wöss und Johann Ecker sind auch weiterhin die Ansprechpartner für das Projekt „Stromversorgung Mühlviertel“.
Das große Engagement der Region und insbesondere auch der Dorfgemeinschaft Dietrichschlag im Zusammenhang mit dem Projekt „Stromversorgung Mühlviertel“ wird sehr positiv und für den Prozess als sehr befruchtend gesehen.
Ich wünsche der Dorfgemeinschaft ein gesegnetes Weihnachtsfest und sehe dem kommenden Jahr 2019 mit Zuversicht – und der Überzeugung für eine gute Lösung – entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Mag. Walter Wöss
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